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Gesunde Schulen

Eine einheitlich anerkannte Definition dessen, was genau eine gesunde Schule ausmacht, kann nicht angegeben werden.

Die nachfolgende Bestimmung steht exemplarisch für entsprechende Darstellungen. „Die „Gesunde Schule“ will vor allem erreichen, dass Kinder und Jugendliche ein positives Selbstbild entwickeln und lernen, in sozialer Verantwortung und zunehmend selbstbestimmt zu leben und zu handeln. Sie geht von einem Gesundheitsverständnis aus, das physische, psychische und mentale Aspekte ebenso einschließt wie soziale, technische und ökonomische. Sie kennt die verschiedenen Einflüsse, denen Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind und setzt auf das partnerschaftliche Zusammenwirken aller am Schulleben Beteiligten. „Gesunde Schulen“ öffnen sich. Sie geben nicht nur ihr Wissen und ihre Erfahrungen nach außen, sondern laden Eltern, Nachbarn oder externe Fachkräfte zur Diskussion gesundheitsrelevanter Themen in die Schule ein. Die die Schule umgebende Gesellschaft zeichnet mitverantwortlich für das Leben in der Schule. Initiative und Weitergabe von Ressourcen an und durch die Schule sind ein wichtiger Bestandteil dieser Partnerschaft“ (Robert Bosch Stiftung, 2002, S. 8; Witteriede, 2010).

Gesundheit

„Gesundheit ist (noch) kein eindeutig definiertes Konstrukt. Sie wird individuell und sozial produziert, konstruiert und organisiert. Allgemeine Ordnungsvorschläge systematisieren Gesundheit als Abgrenzungskonzept, Funktionsaussage oder normative, wertorientierte Setzung. Bedeutsamste wertebasierte Gesundheits-Definition ist bis heute die der WHO von 1948“ (Franzkowiak & Hurrelmann, 2022).

„Gesundheit ist ein relatives und relationales Phänomen, ein sozial verhandeltes Konstrukt, das vom jeweiligen kulturellen, gesellschaftspolitischen und ökologischen Kontext beeinflusst wird und sich dabei beständig erneuert (vgl. de Garine-Wichatitsky et al., 2021; Hafen, 2016; Schmidt, 2017;)“ (Franzkowiak & Hurrelmann, 2022).

„Von besonderer Bedeutung für die Gesundheitsförderung und zugleich die bekannteste wertorientierte Umschreibung ist die Präambel der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1948“ (Franzkowiak & Hurrelmann, 2022). So heißt es: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Das Erreichen des höchstmöglichen Gesundheitsniveaus ist eines der Grundrechte jedes Menschen, ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit [original: „race“], der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung“ (WHO, 1948).

„Mit ihrer Definition löste die WHO Gesundheit aus einer rein biomedizinischen Sichtweise und den engen Bezügen professioneller Krankheitssysteme. Gesundheit wird hier positiv definiert und multidimensional bestimmt. Sie umfasst körperliche, seelisch-geistige und soziale Anteile, die sich wechselseitig beeinflussen. Die WHO-Definition war damit auch ein ideengebender Vorläufer des paradigmatisch einflussreichen, erst drei Jahrzehnte später wissenschaftlich ausgereiften und bis in die Gegenwart weiterentwickelten biopsychosozialen Modells von Krankheit (und Gesundheit) (vgl. Bolton & Gillett, 2019; Egle et al., 2020; Engel, 1977; Fava & Sonino, 2017; Hurrelmann & Razum, 2016)“ (Franzkowiak & Hurrelmann, 2022).

„Seit Ende der 1980er Jahre trägt der Sozialisations-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler Hurrelmann die Grundvorstellungen zentraler wissenschaftlicher Theorien zusammen, um daraus Grundsätze für Module eines auch wissenschaftlich haltbaren und belastbaren Gesundheitsbegriffs abzuleiten (vgl. Hurrelmann, 1988, 2010). Dabei werden biomedizinische Theorien, Lern- und Persönlichkeitstheorien, Stress- und Bewältigungstheorien, Interaktions- und Sozialstrukturtheorien sowie Public Health-Theorien gleichgewichtig aufgenommen und in das interdisziplinäre, sozialisationstheoretisch abgeleitete „Modell der produktiven Realitätsverarbeitung“ integriert. Zusammenfassend formulierte er acht interdisziplinär tragfähige Maximen von Gesundheit und Krankheit (Hurrelmann & Richter, 2013, S. 139−146):

  1. Gesundheit und Krankheit ergeben sich aus einem Wechselspiel von sozialen und personalen Bedingungen, welches das Gesundheitsverhalten prägt.
  2. Die sozialen Bedingungen (Gesundheitsverhältnisse) bilden den Möglichkeitsraum für die Entfaltung der personalen Bedingungen für Gesundheit und Krankheit.
  3. Gesundheit ist das Stadium des Gleichgewichts, Krankheit das Stadium des Ungleichgewichts von Risiko- und Schutzfaktoren auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene.
  4. Gesundheit und Krankheit als jeweilige Endpunkte von Gleichgewichts- und Ungleichgewichtsstadien haben eine körperliche, psychische und soziale Dimension.
  5. Gesundheit ist das Ergebnis einer gelungenen, Krankheit einer nicht gelungenen Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen.
  6. Persönliche Voraussetzung für Gesundheit ist eine körperbewusste, psychisch sensible und umweltorientierte Lebensführung.
  7. Die Bestimmung der Ausprägungen und Stadien von Gesundheit und Krankheit unterliegt einer subjektiven Bewertung.
  8. Fremd- und Selbsteinschätzung von Gesundheits- und Krankheitsstadien können sich auf allen drei Dimensionen − der körperlichen, der psychischen und der sozialen − voneinander unterscheiden.

„Auf dieser Basis formuliert Hurrelmann eine konsensfähige Definition von Gesundheit. Dabei ist zu bedenken, dass der Begriff „Zustand“ als ein „dynamischer Zustand“ zu verstehen ist“ (Franzkowiak & Hurrelmann, 2022). So bezeichnet Gesundheit „den Zustand des Wohlbefindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich psychisch und sozial in Einklang mit den Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet. Gesundheit ist nach diesem Verständnis ein angenehmes und durchaus nicht selbstverständliches Gleichgewichtsstadium von Risiko- und Schutzfaktoren, das zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut in Frage gestellt ist. Gelingt das Gleichgewicht, dann kann dem Leben Freude und Sinn abgewonnen werden, es ist eine produktive Entfaltung der eigenen Kompetenzen und Lernpotentiale möglich, und es steigt die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu integrieren und zu engagieren“ (Hurrelmann & Richter, 2013, S. 147).

Siehe auch ‚Krankheit‘.

Gesundheit für alle/ Gesundheit21

Das 1998 von der WHO verabschiedete Rahmenkonzept „Gesundheit für alle“ im 21. Jahrhundert zielt darauf ab, die global eingeführte Vision der „Gesundheit für alle“ zu realisieren. Das Konzept umfasst 21 Entwicklungsziele, „die den spezifischen Handlungsbedarf in der gesamten Europäischen Region beschreiben und die zur Verbesserung der Situation erforderlichen Maßnahmen vorschlagen.“ Das oberste Ziel besteht darin, „für alle das volle gesundheitliche Potential zu erreichen.“

Es gibt zwei Hauptziele:

  1.  „die Gesundheit der Bevölkerung während der gesamten Lebensspanne zu fördern und zu schützen sowie
  2. die Inzidenz der wichtigsten Krankheiten und Verletzungen zu reduzieren und die auf Krankheiten durch Verletzungen zurückzuführenden Leiden zu mindern.“

Drei Grundwerte bilden die ethische Grundlage von Gesundheit21:

  1. „Gesundheit als ein fundamentales Menschenrecht,
  2. gesundheitliche Chancengleichheit und Solidarität im Handeln zwischen den Ländern und innerhalb der Länder sowie
  3. Partizipation und Rechenschaftspflicht des einzelnen wie auch von Gruppen, Institutionen und Gemeinschaften in Hinsicht auf eine kontinuierliche gesundheitliche Entwicklung“ (vgl. WHO – Regionalbüro Europa, 1998, S. 8 f.; ebd., 1999).

Gesundheitliche Aufklärung (GA) und Gesundheitserziehung (GE)

Die Begriffe gesundheitliche Aufklärung (GA) und Gesundheitserziehung (GE) werden häufig synonym gebraucht, obwohl konzeptionelle und strategische Unterschiede bestehen. Darüber hinaus bestehen inhaltliche Gemeinsamkeiten mit den Termini Gesundheitsbildung, Gesundheitskompetenz und Gesundheitsberatung (Nöcker, 2017).

Die WHO hat 1998 den Begriff GE („health education“) zunächst als weit gefasstes Konzept definiert und den Ansatz der GA darin eingeschlossen (vgl. WHO, 1998b). GE beschreibt ein breites Spektrum von Aktivitäten, die von Informations- und Bildungsangeboten bis hin zu sozialer Mobilisierung und gesundheitspolitischer Interessenvertretung reichen. Mittlerweile wird GE als die gezielte Herbeiführung von Lern- und Kommunikationsmöglichkeiten verstanden, die neben der (gesundheitlichen) Wissensvermittlung die Förderung von Motivation sowie von Fähigkeiten und Fertigkeiten wie auch von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen beinhalten. GE zielt somit direkt auf die Förderung personaler Fähigkeiten und wird als komplementäre Strategie zur Veränderung von gesundheitsrelevanten Politikbereichen verstanden (vgl. WHO, 2021).

GE kann demnach als Strategie der individuellen Verhaltensmodifikation verstanden werden, deren erfolgreiche Ausführung sich am Grad der erreichten Gesundheitskompetenz bestimmen lässt. Gesundheitskompetenz wird so zum zentralen Outcome-Kriterium von gelungener GE, die darauf ausgerichtet sein soll, das individuelle Vermögen von Individuen zu fördern, Zugang zu und Gebrauch von Gesundheitsinformationen so zu gestalten, dass angemessene Gesundheitsentscheidungen getroffen werden (Nöcker, 2017).

Mit Errichtung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wurde eine Einrichtung geschaffen, die mit der Erarbeitung von Grundsätzen und Richtlinien für Inhalte und Methoden der praktischen GE, der Aus- und Fortbildung der auf dem Gebiet der GE und GA tätigen Personen sowie der Verstärkung der GA und GE im Bundesgebiet beauftragt wurde. Aktivitäten und Angebote waren vor allem an Familien, Einrichtungen der Erziehung und des Gesundheitswesens ausgerichtet und thematisierten medizinisch begründetes Gefährdungs- und Krankheitswissen. Hauptzielgruppen waren Kinder und Jugendliche bzw. deren Eltern, die in ihren Wertvorstellungen, ihrer Motivation und ihren Verhaltensweisen zu gesundheitsgerechtem Verhalten angeleitet werden sollten. Dabei wurde ein weites Themenspektrum angesprochen, das sich von der Vermeidung von Alkoholmissbrauch über Drogenerziehung, Sexualerziehung, Unfallverhütung bis hin zur Zahngesundheit nahezu über alle relevanten gesundheitlichen Problembereiche erstreckte (ebd.).

Derweil werden diese Maßnahmen durch eine kaum mehr überschaubare Anzahl von Programmen und Projekten ergänzt. Sie nehmen dabei aber nicht nur Bezug auf pädagogische Theorien, sondern machen Anleihen bei anderen Fachdisziplinen (z.B. Psychologie, Soziologie, Kommunikationswissenschaften), die sie in der Praxis miteinander verbinden. Im Zentrum steht dabei weiterhin das Individuum, insbesondere die Steigerung psychosozialer Kompetenzen und lebenspraktischer Fertigkeiten (ebd.).

Obwohl der Begriff GA in der gleichen Tradition steht wie die GE, lassen sich schon in Bezug auf die adressierten Personen erste Unterschiede kenntlich machen. Während Erziehung als Konzept zur Verhaltensänderung vor allem auf Heranwachsende zielt, werden mit dem Begriff Aufklärung eher Adressat*innen mit mehr eigener Entscheidungsfreiheit angesprochen. GA bietet in diesem Sinne ein geprüfte und sachliche Informationen an und appelliert an die Eigenverantwortung der meist erwachsenen Bevölkerung (ebd.).

GA wird in Deutschland durch unterschiedlicher Träger angeboten. Es handelt sich u.a. um staatliche, halbstaatliche, nichtstaatliche, gemeinnützige, private, kommerzielle, religiöse und politische Träger auf bundesweiter, regionaler und kommunaler Ebene. Dazu zählen (Auswahl) die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die gesetzlichen und privaten Krankenkassen sowie ihre Verbände, aber auch Volkshochschulen und andere Bildungseinrichtungen (ebd.).

Gesundheitliche Chancengleichheit

Gesundheitliche Chancengleichheit ist ein gesundheitspolitisches Leitziel, welches bedeutet, dass alle Menschen die gleichen Möglichkeiten zur Entwicklung, Erhaltung und Wiederherstellung ihrer Gesundheit haben. Anstelle von Gleichheit im Ergebnis fordert der Begriff Chancengleichheit vielmehr Gleichheit hinsichtlich von Möglichkeiten (vgl. quint-essenz, 2022).

Gesundheitliche Chancengerechtigkeit ist ein operatives Umsetzungsprinzip und bezieht sich auf das Schaffen der Bedingungen, die es allen Menschen ermöglichen, ein gesundes Leben zu führen (vgl. quint-essenz, 2022; Weber 2020).

Gesundheits-Apps

„Gesundheits-Apps können – je nach Anwendungsfeld − in Gesundheitsförderungs-, Präventions- und Medizin-Apps unterteilt werden. Eine weitere Differenzierung ergibt sich dahingehend, ob diese von der Gesetzlichen Krankenversicherung finanziert („App auf Rezept“) oder welche Methoden (z. B. Dokumentation) innerhalb der App angewendet werden (z. B. Tracking-Apps). Die Qualitätssicherung und -transparenz kann angesichts der zunehmenden Verbreitung von Gesundheits-Apps durch unterschiedliche Maßnahmen (Gütesiegel, Nachweispflicht des gesundheitlichen Nutzens etc.) erhöht werden“ (Scherenberg, 2022).

Gesundheits-Krankheits-Kontinuum

Das Gesundheits-Krankheitskontinuum stellt eines der vier Kernkomponenten des Modells der Salutogenese nach Antonovsky dar.

Gesundheit wird dabei nicht als Gegenteil von Krankheit verstanden, sondern als Zustand, der sich zwischen den beiden Polen „Gesundheit“ und „Krankheit“ bewegt. Gesundheit wird dabei zu einem dynamischen Zustand, der stets verbessert werden kann. Diese Sichtweise erleichtert die Wahrnehmung der gesunden Anteile eines Menschen, selbst bei schwerer Krankheit und in der Sterbephase. Nur so haben Menschen mit nichtheilbaren und/oder chronischen Erkrankungen die Möglichkeit, dass ihre Gesundheit auch in eine positive Richtung zu bewegen ist (vgl. Faltermaier, 2020; Klemperer, 2020).

Gesundheitsberatung

Die professionelle Gesundheitsberatung unterstützt Menschen bei Gesundheitsthemen und -problemen. Mittels wissenschaftlich fundierter und primär psychologischer und sozialer Methoden werden Veränderungsprozesse auf personaler Ebene angeregt und unterstützt, mit dem Ziel, die Gesundheit zu fördern, Krankheiten zu verhindern und bei der Krankheitsbewältigung zu helfen (Krane & Linden, 2020).

Auf personaler Ebene findet die Gesundheitsberatung derzeit in vier Feldern statt:

  1. durch Fachleute verschiedener Professionen,
  2. in Krankenhäusern, Gesundheitsämtern, Rehabilitationseinrichtungen oder Betrieben,
  3. durch Verbraucherinformation und Patientenberatung sowie
  4. im Internet.

Von der personalen Gesundheitsberatung unterschieden wird die gesundheitsbezogene Institutions- und Politikberatung, die z. B. im betrieblichen Gesundheitsmanagement eine Rolle spielt (ebd.).

Gesundheitsberichterstattung

„Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE) beschreibt den Gesundheitszustand der Bevölkerung, die medizinische sowie pflegerische Versorgung und die damit verbundenen Kosten in Deutschland. Grundlage sind Daten des vom Robert Koch-Instituts (RKI) durchgeführten Gesundheitsmonitorings sowie andere epidemiologische Studien, amtliche Statistiken, epidemiologische Register sowie Routinedaten der Sozialversicherungsträger. Anhand ausgewählter Themen wird das gesamte Spektrum von den Rahmenbedingungen und der gesundheitlichen Lage über Gesundheitsverhalten und Gesundheitsgefährdungen, einzelnen wichtigen Krankheiten, Leistungen und Inanspruchnahme bis hin zu Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens in einer auch für Laien verständlichen Form dargestellt und die entsprechende Datenbasis zugänglich gemacht. Das Gesundheitsmonitoring am RKI ermöglicht mit seinen wiederkehrenden Erhebungen eine umfassende und kontinuierliche Beobachtung der gesundheitlichen Lage in Deutschland. Ziel der Erhebungen ist insbesondere die Gewinnung repräsentativer Daten zum Gesundheitszustand, zum Gesundheitsverhalten und zu gesundheitlichen Risiken über alle Altersgruppen hinweg“ (BMG, 2022a).