Archiv der Kategorie: Glossar

Krankheit

„Krankheit ist sowohl „ein Begriff der Lebenswelt als auch ein theoretischer Begriff der medizinischen Wissenschaft“ (Hucklenbroich 2018, S. 23). Dabei ist Krankheit ein Begriff mit oszillierender Deutungsvielfalt. Auf der einen Seite erscheint er im engeren medizinischen Sinn klar als benennbare Behandlungs- und/oder Pflegebedürftigkeit definiert. […] Auf der anderen Seite gibt es ein Ringen um die Frage, ob der eine oder andere unerwünschte, schmerzhafte, außerhalb einer (jeweils zu definierenden) Norm liegende Zustand als krank bzw. Krankheit definiert werden kann. So existieren verschiedenste Krankheitsmodelle (vgl. Franke, 2012). Eine Abgrenzung wird etwa vorgenommen zwischen Krankheiten, die nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft erkannt und benannt werden können, Befindlichkeitsstörungen ohne nach derzeitigem Wissensstand objektivierbare medizinische Ursache sowie sozial als krank anerkannte oder nicht anerkannte Zustände. Weit verbreitet ist eine Unterscheidung in körperlich-organische, psychosomatische und psychische Krankheiten. Krankheit ist überdies ein praktisch-normativer Begriff (vgl. Engelhardt, 1975). Er ist nicht einheitlich […], vielmehr soziokulturell bedingt und wurde in verschiedenen historischen Phasen unterschiedlich definiert (vgl. Fangerau & Martin, 2011). In den Gesellschaften der Moderne ist Krankheit das „geistige Wesen“ oder die nützliche Vorstellung (Koch, 1924), das bzw. die ärztliches Handeln auslöst und damit „Urgrund der sozialen Institution Medizin“ ist (Labisch, 1999). Dabei impliziert der Begriff Krankheit, dass ein so beschriebener Zustand unangenehm, unerwünscht oder widrig ist und geändert werden soll (vgl. Wiesing, 1998)“ (Fangerau & Franzkowiak, 2022).

Krankheitsmodelle:

„Die Gesundheitswissenschaften differenzieren drei „Kausalpfade“ zur Erklärung von Krankheitsentstehung:

  • naturwissenschaftlich-somatisch,
  • sozio-psycho-somatisch,
  • “ (Fangerau & Franzkowiak, 2022).

„Die gegenwärtig einflussreichsten Krankheitsmodelle entstammen dem ersten Bereich und sind naturalistisch-medizinischen Ursprungs. Sie leiten ärztliches Handeln aus der Kenntnis organisch-funktioneller und pathophysiologischer Begründungszusammenhänge ab, die auf physikalisch und chemisch zu beschreibende Prozesse zurückgeführt werden. Im biomedizinischen Verständnis von Krankheit wird unterstellt, dass eine Krankheit bzw. körperliche Defekte und Fehlfunktionen von eindeutigen Ursachen ausgelöst werden, dass sie ein eindeutiges Erscheinungsbild mit klaren Folgen haben und daher auch in der Behandlung ursächlich angegangen werden können“ (ebd.).

„Im so genannten iatrotechnischen Modell tritt die Idee hinzu, dass ärztlicherseits in pathologische Prozesse wiederum technisch durch chemische und physikalische Beherrschung der Fehlfunktionen eingegriffen werden kann und muss, um eine Genesung oder Gesundung herbeizuführen (vgl. Hucklenbroich 2018; Rothschuh, 1978). Das Modell ist so einflussreich, dass es auch die beiden anderen Kausalpfade überlagert. In konsequenter Anwendung werden mit diesem Modell auch sozio-psycho-somatische und verhaltensbedingte Ursachen von Krankheit erklärt“ (ebd.).

„Neben der biomedizinischen Perspektive, teilweise mit ihr konkurrierend, existieren in jeder Gesellschaft andere Krankheitslehren: z. B. supranaturalistische, religiöse, dämonistische, astrologische, anthropologische, soziologische, alltagskulturelle und kulturwissenschaftliche sowie psychosomatische Modellbildungen. Die subjektiven Gesundheits- und Krankheitskonzepte (Subjektive Gesundheit: Alltagskonzepte von Gesundheit) schöpfen aus all diesen Quellen, sind dabei aber abhängig von Lebensalter, Geschlecht, Lebenslage, Milieuzugehörigkeit und ethisch-religiösen Orientierungen (vgl. Badura & Knesebeck, 2012)“ (Fangerau & Franzkowiak, 2022).

„Die monokausalen medizinischen Krankheitsmodelle der Vergangenheit sind mittlerweile von multifaktoriellen, integrativen Krankheitsmodellen abgelöst worden (Risikofaktoren, Stress und Stressbewältigung, psychosomatische Perspektive) […] (Fangerau & Franzkowiak, 2022).

Siehe auch ‚Gesundheit‘.

Laienkonzepte/ subjektive Konzepte und Theorien von Gesundheit

„Laienkonzepte oder auch subjektive Gesundheitskonzepte, im Englischen ‚concepts of laypersons‘, beschreiben, was „medizinische Laien über Gesundheit denken. Dies stellt nicht einfach ein Abbild des Expertenwissens dar. Laien entwickeln im Laufe ihres Lebens über ihre Sozialisation (in Familie, Schule etc.) und aus persönlichen Erfahrungen, Vorstellungen über Gesundheit und Krankheit, die sie in ihrem gesundheitlichen Handeln leiten. Dieses Alltagswissen von Laien ist sehr bedeutsam für die professionelle Praxis in Prävention, Behandlung und Gesundheitsversorgung, weil es eine Orientierung für Experten darstellen kann, an welchen Konzepten sich gesunde und kranke Menschen (Patienten) ausrichten und wie man sie folglich erreichen kann (Compliance). Es stellt die Wissensbasis des ‚Laiengesundheitssystems‘ dar, die alltägliche Organisation des Umgangs mit Gesundheit und Krankheit, die außerhalb und parallel zum professionellen Gesundheitssystem erfolgt und viele Funktionen z. B. in der Vorsorge, der Selbstbehandlung, im Zugang zum Expertensystem und in der Betreuung kranker Menschen in den Familien erfüllt. Das Laienkonzept umfasst das Verständnis von Gesundheit, d. h., wie medizinische Laien Gesundheit persönlich definieren. Es wurde in interdisziplinären Forschungen mit quantitativen und qualitativen Methoden bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in unterschiedlichen Ländern untersucht, sodass wir heute gute Erkenntnisse über Laienkonzepte haben. […] Vom Laienkonzept der Gesundheit werden Laientheorien von Gesundheit und Krankheit unterschieden und auch wissenschaftlich untersucht; sie erfassen darüber hinausgehende Vorstellungen von Laien (subjektive Theorien) über wahrgenommene Einflussfaktoren auf die Gesundheit sowie Vorstellungen von gesunden oder kranken Menschen über Krankheiten, ihre Symptome, Ursachen und Folgen“ (Wirtz, 2023).

Lebenskompetenzen/ Life Skills

„Der Begriff Lebenskompetenzen [im Englischen ‚Life Skills‘] beschreibt […] all jene Fähigkeiten, die Menschen benötigen, um mit den Aufgaben des täglichen Lebens erfolgreich umzugehen. In der Gesundheitsförderung kommt der Kompetenzbegriff vor allem im Bereich der Prävention zum Tragen. Im Rahmen von Kompetenzbildungsprogrammen sollen Kinder und Jugendliche darin unterstützt werden, sich als selbstwirksam zu erleben und gesundheitsförderliche Entscheidungen zu treffen. In Kindertagesstätten und Schulen werden deshalb Aspekte wie Selbstsicherheit, Kommunikations- und Problemlösefähigkeiten behandelt. Zudem wird der adäquate Umgang mit Ängsten, Gewalt und Suchtmitteln geschult“ (Hallmann, 2020).

Die WHO definierte zehn zentrale Kernkompetenzen („core life-skills“), die es im Rahmen der Lebenskompetenzförderung zu vermitteln gilt (vgl. Bühler & Heppekausen 2005, S. 16 ff.; WHO 1994, S. 2):

  1. Selbstwahrnehmung, die sich auf das Erkennen der eigenen Person, des eigenen Charakters sowie auf eigene Stärken und Schwächen, Wünsche und Abneigungen bezieht.
  2. Empathie, als die Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzuversetzen.
  3. Kreatives Denken, das es ermöglicht, adäquate Entscheidungen zu treffen sowie Probleme konstruktiv zu lösen.
  4. Kritisches Denken als die Fertigkeit, Informationen und Erfahrungen objektiv zu analysieren.
  5. Die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, die dazu beiträgt, konstruktiv mit Entscheidungen im Alltag umzugehen.
  6. Problemlösefertigkeit, um Schwierigkeiten und Konflikte im Alltag konstruktiv anzugehen.
  7. Kommunikative Kompetenz, die dazu beiträgt, sich kultur- und situationsgemäß sowohl verbal als auch nonverbal auszudrücken.
  8. Interpersonale Beziehungsfertigkeiten, die dazu befähigen, Freundschaften zu schließen und aufrechtzuerhalten.
  9. Gefühlsbewältigung, als die Fertigkeit, sich der eigenen Gefühle und denen anderer bewusst zu werden, angemessen mit Gefühlen umzugehen sowie zu erkennen, wie Gefühle Verhalten beeinflussen.

Die Fähigkeit der Stressbewältigung, um einerseits Ursachen und Auswirkungen von Stress im Alltag zu erkennen und andererseits Stress reduzierende Verhaltensweisen zu erlernen.

Lebenslanges Lernen (LLL)/ lebensbegleitendes Lernen

„Lebenslanges, lebensbegleitendes Lernen ist seit seinen ersten bildungspolitischen Konzeptionen begrifflich und inhaltlich immer diffus geblieben. Es existieren unterschiedliche Vorstellungen und Interessen, die mit dem Konzept verbunden werden“ (BMBWF, o. J.).

Lebenslanges oder lebensbegleitendes Lernen umfasst „alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen dient und im Rahmen einer persönlichen, bürgergesellschaftlichen, sozialen, bzw. beschäftigungsbezogenen Perspektive erfolgt“. Diese bis heute gültige Definition der EU wurde im Dokument ‚Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen‘ im Jahr 2001 festgelegt (vgl. Europäische Kommission, 2002). Als lebenslanges Lernen wird demnach prinzipiell jedes Lernen – formal, non-formal, informell – in allen Lebensphasen – von der Kindheit bis ins Alter – verstanden. Bildungspolitisch werden dann inhaltliche Schwerpunktsetzungen vorgenommen. In den deutschsprachigen Dokumenten wird ‚lebenslanges Lernen‘ und ‚lebensbegleitendes Lernen‘ synonym verwendet (BMBWF, o. J.).

Lebensqualität, gesundheitsbezogene

Gesundheitsbezogene Lebensqualität – engl. „Health-Related Quality of Life“ (HRQoL) ist ein multidimensionales Konstrukt aus physischen, psychischen und sozialen Dimensionen und schließt deutlich mehr ein als lediglich Aussagen zum individuellen Gesundheitszustand. Wesentliche Orientierung ist hierbei die subjektive Wahrnehmung durch den Probanden. Mit Hilfe von krankheitsübergreifenden (generischen) Maßen erden die Lebensqualitäten von (gesundheitlich beeinträchtigten) Populationen in der Bevölkerung sowohl in der zeitlichen Veränderung als auch im Querschnittsvergleich beschrieben. Die krankheitsspezifischen Verfahren dienen der Bewertung von Therapien bzw. Therapiealternativen bei bestimmten Krankheiten und Patientengruppen (RKI, 2020).

Lebensweisen/ Lebensstile

Lebensweisen- und Lebensstilansätze in der Gesundheitsförderung fokussieren die gesundheitsrelevanten Handlungsmuster der Menschen und betonen dabei die Verwobenheit des gesundheitsrelevanten Verhaltens mit den jeweiligen ökonomischen, sozialen und kulturellen Lebensbedingungen. Interventionen mit diesen Ansätzen müssen – ausgehend von den jeweiligen Lebenswelten – gemeinsam mit den Zielgruppen Veränderungsprozesse gestalten, um zu einer nachhaltigen Verbesserung der Gesundheitschancen aller und insbesondere von sozial benachteiligten Menschen beizutragen (Röding, 2021).

Gemäß heutiger theoretischer und empirischer Erkenntnisse lässt sich festhalten – Gesundheitsrelevante Lebensstile

  • sind das Produkt von objektiven Lebensbedingungen und dem, was die Individuen daraus machen,
  • erfüllen spezifische Aufgaben für die Gesellschaft, für Gruppen und Individuen (erlauben und repräsentieren z. B. soziale Zugehörigkeiten; dienen der Orientierung in zeitlichen und sozialen Räumen),
  • kommen meist in Mischformen vor, wobei es kleinere Gruppen von konsistent gesundheitsförderlichen und von risikoreichen Lebensstilen gibt,
  • sind insbesondere von den sozialen Faktoren Geschlecht, Alter und soziale Schicht geprägt und

sind relativ stabil, jedoch unter bestimmten äußeren Lebensbedingungen auch veränderlich (ebd.).

Leitbild

Ein Leitbild dient als Managementinstrument, welches Auftragsverständnis, Werte, Normen und andere handlungsleitende Prinzipien einer Organisation umschreibt und als Orientierung für alle nach innen und außen gerichteten Aktivitäten dient (vgl. quint-essenz, 2022).

Leitlinien/ Guidelines

„Leitlinien sind im Idealfall systematisch entwickelte, wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Entscheidungshilfen über eine angemessene Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen. Sie sind Orientierungshilfen im Sinne von Handlungs- und Entscheidungskorridoren, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss“ (IQWiG, 2022).

Machbarkeitsstudie (feasibility study)

Machbarkeitsstudien untersuchen „die Plausibilität einer Intervention, die Akzeptanz für die verschiedenen Interessengruppen (Stakeholder) sowie die technische Durchführbarkeit eines Projektes oder einer Maßnahme in ihrem spezifischen sozialen Kontext“ (vgl. Lehmann et al., 2007).